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Es gibt die Bitterkeit der Nahe
gewürzt, versehrt
durch Entfernung

Und doch
suche die Nähe
so fern sie sei

Komm Nadelstich —
von dem, was ich weiß —
nein erfuhr

nein eroberte
Komm Nadelstich

Geschrieben am 10. September 2004, Wien — beim Heurigen,
12 Uhr nachts.

Nah und unvergessen, bleibst Du für immer in uns!
Ich weiß, Du lebst in meinen Gedanken, als ob Du noch hier,
mit mir wärest!

Diese harten Tage
Vergeblich leuchten

die Anemonen.

Der Himmel ist grau —
Eine dunkle Wolke

weint.

Ich suche den toten Freund
im Traum.

Das Schreiben tut weh.
Rose Ausländer

Der 12. Theodor Kramer Preis ging an die in New York lebende
Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Eva Kollisch. Sie
kam am 21. Mai mit ihrem Sohn, dem Journalisten Uri Berliner, in
Wien an und las aus ihren Büchern schon am nächsten Tag in Linz,
im Adalbert-Stifter-Haus, wo Anna Mitgutsch die Einleitung hielt
und mit der Autorin sprach. Am 24. Mai las sie im Literaturhaus
Salzburg, Gesprächspartner war Karl Müller. Fast genau auf den
Tag einen Monat zuvor hatte Alfredo Bauer (Iheodor Kramer
Preis 2002) sein Lebenswerk, den Roman „Die Vorgänger“, in den
selben beiden Literaturhäusern präsentiert. Die Monate Aprilund
Mai gehörten somit in Linz und Salzburg 2012 gewissermaßen
TrägerInnen des Theodor Kramer Preises. Am 25. Mai folgte im
Unabhängigen Literaturhaus Niederösterreich in Krems die feierli¬
che Verleihung des Preises an Eva Kollisch. Die Laudatio hielt Ruth
Klüger; „Idlinger und die geringfügig Beschäftigten“ sorgten mit
Liedern nach Texten von Theodor Kramer, Heinz Rudolf Unger
und Jura Soyfer für die musikalische Umrahmung. Am 27. Mailud
die Stadtgmeinde Baden bei Wien, jene Stadt, in der Eva Kollisch
ihre Kindheit verbracht hatte, zur Matinee. Das Programm im
Theater am Steg bestritt sie mit Ruth Klüger. Am 30. Mai fand die
Abschlussveranstaltung im Psychosozialen Zentrum ESRA in Wien
statt. Vladimir Vertlib leitete ein und sprach mit Eva Kollisch, aus
deren Büchern Tania Golden las. Das Ensemble Quadrophonie
bewies, dass Kammermusik durchaus auch zeitgemäß sein kann.

Seit 2001 wird der Preis alljährlich vergeben, er ist mit Euro
7.300,- dotiert. Er ist ein Würdigungspreis, um den man sich
nicht bewerben kann. Empfehlungen an die Theodor Kramer
Gesellschaft sind jedoch durchaus erwünscht.

Der Preis wurde mit Unterstützung des Landes Niederösterreich,
der Stadt Wien, des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst
und Kultur, des Bezirks Wien-Leopoldstadt, des Jewish Welcome
Service Vienna, der Stadtgemeinde Baden bei Wien, des Czernin
Verlages und der Grazer AutorInnen Versammlung verliehen.
Kooperationspartner waren das Unabhängige Literaturhaus Nie¬
derösterreich (ULNOE) in Krems, das auch seine Räume für die
Preisverleihung zur Verfügung stellte, das Adalbert-Stifter-Institut
in Linz, das Literaturhaus Salzburg und das Psychosoziale Zen¬
trum ESRA in Wien.

14 ZWISCHENWELT

Ruth Klüger
Eine ganz souveräne Authentizität

Laudatio für Eva Kollisch

Eva Kollisch hat mit ihren beiden autobiografischen Büchern,
„Mädchen in Bewegung“ und „Der Boden unter meinen Füßen“,
ein „Iale of Two Cities“ — eine Geschichte von zwei Städten
— geschrieben, wie der Titel von Dickens‘ berühmtem Roman
lautet. Bei Dickens sind es London und Paris, bei Kollisch Wien
und New York.

Eva Kollisch stammt eigentlich aus einer kleinen Stadt, die wie
ein Schmuckstück am Hals einer großen hängt, Baden bei Wien;
und sie ist in Amerika merkwürdigerweise in einer ebensolchen
gelandet, der charmanten, aber, wie sie meint, für Jugendliche
ziemlich langweiligen kleinen Insel Staten Island. Staten Island ist
gemeinderechtlich einer der fünf Bezirke von New York City, aber
vom Rest der Stadt durch eine Menge Wasser, nämlich New York
Bay, getrennt. Man fährt mit einer Fähre von und nach Manhattan,
ein schr beliebter Ausflug für Touristen; ebenso wie Baden ein
beliebter Ausflugsort ist, von Wien her geschen. Staten Island ist
zu Manhattan also ungefähr wie Baden zu Wien. Das sind die
beiden Pole von Eva Kollischs geografischen Heimstätten (ich wage
es nicht Heimat zu sagen). Und sie zeigen, wie widersprüchlich
eine idyllische Vorstellung zum wirklichen Lebens sein kann. Die
Idylle trügt. Wem ein Außenseitertum aufgezwungen wird, wie
das bei unserer heutigen Preisträgerin der Fall war, für den oder die
ist es kein Trost, dass es in beschaulichen Kleinstädten geschicht.

Doch es gelingt Kollisch in ihren beiden Büchern einen Bogen
zu spannen, zwischen diesen Städten, den beiden kleinen, den
beiden großen, mehr noch: eine Brücke zu bauen, auf der die
Leser ihre Reise ins Exil und vielleicht sogar vom Exil zurück,
nachvollziehen könnnen.

Ihre Lebensgeschichte ist einerseits ein nicht untypisches Emigran¬
tenschicksal und andererseits dank ihrer Talente, Überzeugungen
und ihres unerschrockenem Engagements, ist es ein eigentümliches,