unterstützen. Diese acht Männer waren die aus
Wien stammenden Georg Breuer, Hans Schwei¬
ger, Karl Kaiser, Harry Wunder, Anton Walter
Freud, der in Innsbruck geborene und in Wien
aufgewachsene Franz Joseph König sowie die
Hamburger Manfred Werner und Erich Rohde.
Lebensaft und Mentschl, beide mit der Exil¬
forschung bestens vertraut, sind vor etwa zehn
Jahren durch einen zufälligen Dokumentenfund
im britischen Staatsarchiv auf die Geschichte der
Einsätze der SOE-Gruppen „Hamster“, „His¬
torian“ und „Duncery“ aufmerksam geworden.
Am Beginn ihrer Forschungen standen Fragen
nach der Identität der Beteiligten und deren
Motive, zu einem Zeitpunkt, als die Niederla¬
ge NS-Deutschlands nur mehr eine Frage von
Wochen oder Tagen war, freiwillig an derartig
risikoreichen Aktionen teilzunehmen sowie nach
ihrem weiteren Leben.
Um Antworten zu finden, wählten Lebensaft/
Mentschl einen streng deskriptiven Ansatz und
konzentrierten sich sehr genau auf diese kleine
Gruppe von SOE-Agenten. (Die Forschung
geht von etwa 140 Österreichern bei SOE aus.)
Im ersten Kapitel zeichnen sie die ganz unter¬
schiedliche familiäre Herkunft und Wege der
Protagonisten ins Exil bis zur Rekrutierung zu
SOE nach. Neben Breuer und Freud, die aus den
Familien der beiden wohl bekanntesten Wie¬
ner Psychoanalytiker Josef Breuer und Sigmund
Freud stammten, mussten weitere drei der Ak¬
teure wegen dem NS-Antisemitismus flüchten.
Im nächsten Kapitel informieren Lebensaft
und Mentschl über die Entstehung, die Struk¬
turen und Methoden der SOE und skizzieren
deren auf Österreich bezogene Projekte, sodass
der institutionelle und historische Rahmen aus¬
reichend klar wird. Kapitel drei und vier widmen
sich der fast eineinhalbjährigen gemeinsamen
militärischen und nachrichtendienstlichen
Ausbildung in den Trainingsschulen der SOE
sowie der folgenden Wartezeit auf die Einsätze
an der SOE-Basis in Italien, die für die „agents“
nervlich zermiirbend, mit dem Aufflackern von
Sinnfragen und auch persönlichen Konflikten
verbunden war.
Lebensaft und Mentschl fiel bei der Bear¬
beitung der SOE-Dokumente auf, dass die
britischen Führungsofliziere Rekruten und
Agenten nach jüdischer und nicht-jüdischer
Identität unterschieden. Sie führen einige Be¬
lege an, dass diese Kategorisierungen neben der
Risikoabschätzung wohl auch antisemitischen
Denkformen bei manchen SOE-OffizierInnen
geschuldet waren. Ausgewirkt hat sich dieses
Denken auch bei der Planung von Einsätzen.
Jüdische Agenten wurden überwiegend für Sa¬
botageeinsätze gegen Kriegsende eingesetzt und
weniger für organisatorische Aufgaben im Zu¬
sammenhang mit Widerstandsbildung im Jahr
1944. Außerdem scheiterten die Versuche der
SOE im Jahr 1944, Widerstand in Österreich
zu finden auf allen Linien. Hinzuzufügen ist,
dass SOE ziemlich verantwortungsvoll mit den
Agenten umging und unabschätzbar riskante
Einsätze vermied.
Teile der Antwort auf den späten Zeitpunkt
der Einsätze sind also in der Institution, im
Kriegsverlauf und vor allem in der Tatsache
zu finden, dass der NS-Staat in Österreich
bis Kriegsende kaum Risse zeigte, in die SOE
Widerstandskeile treiben hätte können. Zwei
Kernkapitel beschäftigen sich mit dem abenteu¬
erlichen Verlauf der Einsätze in der Obersteier¬
mark in den letzten drei Kriegswochen, wobei
die Autorin und der Autor sich bemüht haben,
den tatsächlichen Aktionsverlaufaller beteiligten
Agenten auf Basis britischer und lokaler Quel¬
len sowie späteren Darstellungen der Akteure
zu rekonstruieren und dabei auch den einen
oder anderen Mythos der Geschichtsschreibung
entkräften können.
Die SOE-Agenten waren die ersten Repräsen¬
tanten der britischen Armee in der Steiermark.
Neben der Sicherung des Flughafens von Zelt¬
weg, der gelang, schließlich aber von der Roten
Germän Kratochwil, geboren 1938 in Korneu¬
burg, emigrierte als Kind nach Argentinien und
lebt heute in Patagonien und Buenos Aires.
1973 promovierte er in Hamburg als Sozial¬
wissenschaftler, war für internationale Organisa¬
tionen in Genf, Buenos Aires, Lima, Asunciön,
Santiago, Caracas und Montevideo tätig und
veröffentlichte Fachliteratur.
Mit seinem Romandebüt „Scherbengericht“
erzählt Kratochwil eine Familiengeschichte, in
der sich das Erbe des 20. Jahrhundert spiegelt.
Um ein Familientreffen zu Silvester 2000, dem
90. Geburtstag von Clementine Holberg, einer
Anhängerin von Rassereinheit, die in die argen¬
tinische Aristokratie eingeheiratet hat, spannt
der Autor ein vielschichtiges Netz mit gelun¬
genen Charakterzeichnungen. Zu Clementines
Geburtstag treffen Gäste aus drei Generationen,
Einwanderer aus den unterschiedlichsten Mili¬
eus und Emigrationshintergriinden, auf einem
großen tirolerischen Bauernhof in Patagonien
aufeinander, wo ein argentinisch zubereitetes
Lamm mit österreichischem Kipfler-Kartoffel¬
salat serviert wird, was nur ein Beispiel für die
Symbolsprache des Romans darstellt.
Gastgeber sind der depressive Südtiroler Bauer
Treugott, dessen Vater wegen der italienischen
Faschisten in Argentinien eine neue Heimat
suchte, und seine aus dem Sudetenland ver¬
triebene lebensfrohe Frau Rotraud.
Mit der einleitenden Beschreibung der Auto¬
fahrt von Martin Holberg, Clementines Sohn,
und seiner psychisch angeschlagenen Tochter
Katha durch die südargentinische Landschaft,
gelingt dem Autor eine beeindruckende Land¬
schaftszeichnung. Auf dem Weg zur Festtafel
Armee übernommen wurde, bleibt die erfolgrei¬
che Kooperation mit lokalen Widerstandskämp¬
fern und Wehrmachtsdeserteuren ein Verdienst
der SOF-Teams. Bemerkenswert sind die häufi¬
gen Rollenwechsel, die die Exilanten als SOE¬
Agenten in der kurzen Zeitspanne zu bewältigen
hatten, und die geschilderten Begegnungen mit
NS-Funktionären, hohen Wehrmachtsofhizieren
und lokalen Widerstandskämpfern.
Die Einsätze brachten allen Beteiligten Ofh¬
ziersränge, die für die Nachkriegskarriere in der
britischen Armee wichtig waren, aber bei der
späteren Integration in die britische Gesellschaft
nicht unbedingt den erhofften Effekt großer
Erleichterung hatten. Auf diese Erwartungen
weisen Lebenssaft und Mentschl ebenso als Ein¬
satzmotiv hin, als auch auf den stark ausgepräg¬
ten Willen einen persönlichen, möglichst hohen
Beitrag zur Niederlage der Nationalsozialisten
zu erbringen.
Karl Kaiser, Harry Schweiger, Manfred
Werner und A. W. Freud waren schließlich als
Fahnder und Ermittler der War Crimes Group
maßgeblich an der Aufklärung und Ahndung
von NS-Verbrechen in den KZ Neuengamme,
Ravensbrück, Auschwitz und der Festnahme
von Oswald Pohl beteiligt. Nur drei der acht
Akteure kehrten nach Ausscheiden aus der bri¬
tischen Armee zum Teil mit langer Verzögerung
in ihre Herkunftsländer zurück. Die Studie von
Elisabeth Lebensaft und Christoph Mentschl ist
eine wichtige Dokumentation ganz spezifischer,
lange unbeleuchtet gebliebener Exilerfahrungen.
Peter Pirker
Elisabeth Lebensaft, Christoph Mentschl: „Are you
prepared to do a dangerous job?“ Auf den Spu¬
ren österreichischer und deutscher Exilanten im
britischen Geheimdienst SOE. Wien: Verlag der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften
2010. 296 S.
versucht Martin erfolglos zwischen Landkäu¬
fern und Indianern zu vermitteln, besichtigt
seiner Tochter zuliebe eine Gedenkstätte von
Lady Diana und fährt mit ihr auf eine Whale¬
Watching-Tour. Martin, der mit einer Jüdin, die
früh verstorben ist, verheiratet war, verachtet die
nazistische Einstellung seiner Mutter, weshalb
seine Beziehung zu ihr nicht gerade die beste
ist und er diesem Fest cher als lastigem Pflicht¬
termin entgegenblickt.
Angekommen am „Tilo-Hof“ trifft er auch
auf seinen Sohn Gabriel, der nach dem Tod der
Mutter Zuflucht bei einer Sekte gefunden hat
und seinen Vater fiir alles Ubel in seinem Leben
und in dem der Schwester verantwortlich macht.
Die bekannte Problematik des Exillandes Ar¬
gentinien, dass NS-Opfer, die dorthin flüchte¬
ten und somit dem Nazi-Regime entkommen