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Trude Krakauer
Die Zeit heilt alles

Die Zeit heilt alles. Über Massengräber
Weht grünes Gras. Wir halten sie für gütig,
Wenn ihren Schleier unfühlbar und fühllos
Sie über Tote zieht, die uns noch leben,

Und über unsre schmerzhaft wachen Augen
Und unsre wehen, pochend-wunden Herzen.

Die Zeit heilt alles. Lächelnd schaun die Götter
Aus zeitenlosem Blau auf ihre Mühen,

Wenn sie den tausendfach zerfetzten Erdball
Geduldig flickt und trennt und fickt und trennt...

Wir aber, die wir leben in der Zeit:

Noch leben wir, noch ist es für uns Zeit,

Ihr zu mißtraun und ihren Heilungskünsten.

Ich weiß, ich bin in ihrem Netz gefangen,

Doch solln mir ihre sanften Spinnenweben

Den Abgrund nicht verhülln und nicht die Opfer.

Ich will mir Salz in meine Wunden streun,

Daß sie die Zeit nicht kühle. Meine Toten

Sind nur im Schmerz mir nah - so soll er brennen
Der Zeit zum Trotz, ein Licht in ihrer Nacht.

Der Tod heilt alles, doch solang ich lebe

Will ich unheilbar sein.

VEZALEBT — Veza Canetti
6. Mai bis 12. Juni 2013

Gertrude Moser-Wagner, Projektinitiatorin und Kinstlerin,
schreibt:

Wer oder was waire eine Veza Canetti von heute? Wir wissen es
nicht. Im Wien der Ersten Republik war ihr Leben von unsicheren
Zeiten und historischen Brüchen bestimmt. 1938 emigrierte sie mit
ihrem Mann Elias Canetti nach England, wo sie vor 50 Jahren in
London starb. Sie schrieb immer unter Pseudonymen. Die Sprache
und Haltung dieser Dichterin (1897 —1 963) wirkt im Heute weiter
und es ist Zeit, von ihr in der Gegenwartsform zu sprechen. Veza
lebt. Sie überrascht und inspiriert, seit ihr erster Roman (erst 1990)
posthum erschienen ist, gleichermaßen Kunst wie Literatur.

VEZALEBT wird vor allem ein Fest sein. Literarische, künstle¬
rische, musikalische und wissenschaftliche Annäherungsversuche an
diese lang Verschwiegene werden von nachgeborenen Generationen
gebündelt. U.a. ist im Rahmen des Projekts bereits ein Sammel¬
band mit Beiträgen von Autorinnen und Literaturwissenschaft¬
lerin erschienen, wird am 6. Mai 2013 am Wohnhaus Vezas in

Präsentation der Lyrikreihe Nadelstiche

Am Sonntag, den 24. Februar 2013, wurden im Jüdischen Museum, Wien die
Gedichtbände „Nadelstich“ von Siglinde Bolbecher und „Niewiederland“ von Trude
Krakauer präsentiert. Die Präsentation der neuen Lyrikreihe im Verlag der TKG
„Nadelstiche“ fand im Rahmen der Foto-Ausstellung „Vienna’s Shooting Girls“ statt,
wo auch Arbeiten von Hermi Friedmann, welche mit den beiden Lyrikerinnen befreun¬
det war, zu sehen waren. Nach den einleitenden Worten von Andrea Winklbauer
(Kuratorin), Lydia Mischkulnig (Mitherausgeberin) und Silvia Belalcazar las Dagmar
Schwarz (Foto rechts) aus den Gedichtbanden. Teodora Miteva (Foto links) spielte
auf dem Violoncello Stiicke von Rogelio Huguet y Tagell und Gaspar Cassadé.

Zur Matinée waren ca. 150 Gaste erschienen, kein Sitzplatz war frei geblieben.

Wien-Leopoldstadt, Ferdinandstr. 29, eine von Eva Wassertheurer
entworfene Widmungstafel für Veza enthüllt, ein Konzert für
Veza gegeben, werden ihr gewidmete Ausstellungen bildender
Künstlerinnen gezeigt. — Die Theodor Kramer Gesellschaft freut
sich, dieses Projekt zusammen mit vielen anderen unterstützen
zu können.

April 2013 9