Redaktionsmitglied der Zwischenwelt aus Zeiten von Mit der Zieh¬
harmonika. Er ist einer der wichtigen Mitstreiter und Mitdenker
der Zeitschrift und der Theodor Kramer Gesellschaft.
Doch damit mitgestritten und mitgedacht werden kann, braucht
es Vorstreiter und Vordenker wie Konstantin Kaiser, Herausgeber
der Zwischenwelt, seit der Nr. 1, ebenso wie Siglinde Bolbecher,
die 29 Jahrgänge lang die Zeitschrift mitherausgegeben hat und
so ziemlich genau vor einem Jahr in diesem Hohen Haus dafür,
und für noch vieles mehr, von Nationalratspräsidentin Barbara
Prammer mit dem „Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um
die Republik Österreich“ ausgezeichnet wurde. Ohne Siglinde
Bolbecher und Konstantin Kaiser, aber auch ohne die vielen hun¬
dert AutorInnen seit 30 Jahren - einige sitzen heute im Publi¬
kum — wäre Zwischenwelt nicht denkbar, zumindest nicht in der
heutigen Form, welche „Leben sprüht“ mit ihrer „editoriellen und
informativen Frische“, wie Will Schaber es einmal formuliert hat.
Siglinde Bolbecher kann heute leider nicht mit uns sein, sie
ist am 6. Juli 2012 gestorben. Ihre Gedichte sind jedoch mit
uns. Siglindes poetische Nadelstiche werden am Ende dieser
Irene Suchy
Beunruhigende Zwischenwelten
Als ob es nicht genug Welten gäbe, musste vor 30 Jahren auch eine
Zwischenwelt erfunden werden. Seither, seit 30 Jahren, nimmt
sich die Zwischenwelt drei bis vier Mal im Jahr den Platz zwi¬
schen den bestehenden Welten. Sie setzt sich fest im Spalt, den
es zwischen den Vorgaben gibt, was Anzahl und Länge, Abfolge
und Format betrifft, jenen Raum, den andere Welten verleugnen,
weil sie meinen, ihn besetzt, abgedeckt zu haben.
Es gibt die Zwischenwelt gar nicht, bevor sie nicht beschrieben
ist. Sie grenzt nicht ab, sondern lässt zu. Zwischenwelten erfüllen
Zwischenräume in den so konkret abgesteckten, abgegrenzten
Welten zwischen Wissenschaft und Poesie, zwischen Erkennen
und Dokumentieren, zwischen Beschneiden und Hingeben,
zwischen Distanz und Nähe, zwischen Bericht und Gedicht.
Zwischenwelten beunruhigen und verunsichern, sie machen klar,
Festaktdiskussionsrunde von Anne Bennent gelesen, deren Auf¬
tritte auf der Bühne und im Film Siglinde, mich und wohl noch
viele andere hier im Hohen Haus schon seit langem beeindrucken!
Heute ist der 17. Juni, heute vor genau 60 Jahren (1953)
brach der ArbeiterInnenaufstand in der DDR aus und wurde
niedergeschlagen. Stefan Heym, einer der großen Schriftsteller
des Exils und dann der DDR und ein wichtiger Parlamentarier
des wiedervereinigten Deutschlands, heuer wäre er 100 Jahre alt
geworden, ein realer Sozialist, der gegen den realen Sozialismus
in seiner Nachkriegsheimat DDR angekämpft hat, beschrieb in
seinem Roman zum Aufstand, 5 Tage im Juni, seine Hauptfigur
Witte, durch die Ereignisse innerlich zerrissen, und beschrieb
damit wohl auch sich selbst, folgendermaßen:
Wahrscheinlich wäre es für den inneren Komfort einer ganzen
Anzahl von Zeitgenossen besser, Leute wie ich wären umgekommen.
Wir sind zu dauerhafi. Und wir sind zu unbequem, weil wir das
Denken der Menschen zu verändern suchen.
Das klingt wie ein Motto, wie ein gutes Motto für weitere
Jahrzehnte Zwischenwelt bzw. für die nun folgenden Beiträge.
dass in vorhandenen Formaten Wesentliches nicht abgedeckt, also
offen und ungefasst, für uns fassungslos, unbedacht, gedankenlos,
antwort-los, unverantwortet ist. Die Zwischenwelt beginnt etwas
Verantwortliches, dann, wenn die Wissenschaftsdisziplinen es
noch in ihrer Wesentlichkeit verleugnen, dafür keine Formate
gefunden haben, bevor noch Kongresse und Symposiumsbände
und Lexika erschienen sind. Hier hat man Platz für den Anfang, für
das Entstehende, fiir das noch Uneinordenbare, Unpassende — fiir
all jene, die in Kategorien denken, in sogenannten anerkannten.
Hier schafft man Ordnung, miindliche Quellen zusammentragend,
Gegenwärtiges wie Schulprojekte und Lobreden, Gespräche und
Briefe in die Geschichte einschreibend.
Die Zwischenwelt stellt Notwendigkeit über Zweckmäßig¬
keit, persönlich Erfahrenes gilt ihr genauso viel wie akademisch
Überprüftes, sie gibt nicht so viel auf Anerkanntes, sie erkennt