Du hast mir
das Meer verraten
das Samtige der Zunge
den Puls und die Hand
das Zärtliche
aus dem Auge
gekratzt
sprachlos
wortlos
und keine Idee
Zukunft von Gestern
auf Distanz
Morgen komme ich wieder
You divulged
the sea to me
the velvet of the tongue
the pulse and the hand
you scratched
the tenderness
from my eye
speechless
silent
and no concept
>
yesterday's future
at a distance
I'll be back tomorrow
Dine Petrik
Geruch einer Zeit
Am Rand eines mithsamen Sommers, als ein neuer Tag den Geruch
einer Zeit ankiindet, die kommen muss, fing das Kind an zu gehen,
den Weg aus dem Dorf, zwei Schritte vor und zuriick und wohin
es ging, immer fort, aus dem Haus, durch die Gasse hinaus. Durch
den schlammigen Feldweg, der im Wald miindet, ein Wald, der
bei jedem Hinsehen entfernter erschien. Vom Feldweg abfallend,
bis an den fortschwankenden Horizont, in dem tief und orangerot
die Sonne vergliihte, streckte sich eine mit durstigen Kornfeldern
gefüllte Ebene aus. Der heif’e Sommerwind trieb darin sein unent¬
wegtes Spiel. Wie das Meer, überlegte das Kind, das das Meer nie
gesehen hatte, drüben, zwischen den Hügeln muss sich die uralte
Bernsteinstraße verstecken — bis nach Rom, dachte es. Morgen
früh, vielleicht im Morgenlicht...
Jahrein, jahraus kamen die SiS-Lastwägen der Russen durchs Dorf
und die Gasse heraufgetuckert, um Esterhäzys Hochwald abzuholen.
Zugeschnitten und abgerindet wölbten sich die Fichtenstämme,
von Eisenketten gehalten, beim Abtransport über die Laster. Nach
heftigem Regen konnten die Räder im tiefen Morast stecken blei¬
ben. Und wenn nichts mehr ging, halfen die Bauern mit Steinen
und Pfosten aus, um hinterher die verwüsteten Wege zu sanieren.
Der ganze Wald wird noch in der USIA verschwinden, schimpf¬
ten sie hinter vorgehaltener Hand. Das Kind verstand das Wort
USIA nicht.
Da war dieses Haus. Für das Kind eine Aufforderung: Vor dem in
der Gassenzeile zurückgesetzten und zugleich auffälligsten Haus
blieb es stehen. Hineindenken in eine Herkunft, die zum Bleiben
einlud. Nachdenken über die Frage, warum an dem Haus jeder
vorbeisah. Weiß getüncht, Sockel blau, spitzes Dach, Fenster klein,
wie andere Häuser auch. Und doch ganz anders. Der Vorgarten ein
kleiner Park mit exakt angelegten, zurechtgestutzten Ornamenten
aus Buchs. Die Wege ausgelegt mit weißen Kieselsteinen. Schön¬
brunn, dachte das Kind, das Schönbrunn nie gesehen hatte. Im
Garten hinter dem Haus in Reih und Glied Obstbäume, etwas
völlig Neues, standen doch die Bäume ansonsten kreuz und quer
in den Gärten herum. Und da war die lächelnde Frau Sirowatka,
die mit dem Kind sprach, so sie es aufder Gasse traf. Geredet wurde
hier kaum, gebrüllt unentwegt. Der Mutter gefiel es nicht, dass
sich die Frau mit dem Kind unterhielt, deren Tochter Emmi, die
Freundin, zu besuchen, erlaubte sie nicht: Hat die Schwindsucht!
Herr Sirowatka war im Nachbarort Lackenbach im Sägewerk beschäf¬
tigt. Sowie er nach Feierabend ins Dorf und die Gasse heraufkam,
sammelte er mit Schaufel und Sack die Kuhfladen vom Boden auf,
die er, mangels eigener Kühe, zur Düngung seiner Gärten brauchte.
Er tat dies ganz selbstverständlich. Die Häme der Bauern kümmerte
ihn nicht. Er wechselte kein Wort mit ihnen. Was ihm sein Sohn
Josef gleichtat. Wenn er auf der Gasse den Bruder des Kindes,
das ans Gehen dachte, traf, konnte er hie und da ein paar Worte
verlieren. Die beiden waren in erwa gleich alt, hatten den Krieg
überlebt, der Bruder des Kindes als Deserteur. A feige Sau warst,
hörte das Kind einen Nachbarn zum viel älteren Deserteurbruder
sagen. Er redete nie, erst recht nicht mit seiner Schwester.
Nach einem Streit in der Gasse war die Frau der Mutter aus dem
Weg gegangen. Daher staunte das Kind, als es eines Tages zu den
Sirowatka geschickt wurde. Ein Körbchen Pfirsiche für die kranke
Emmi. Das Kind am Eisenzaun. Der zähnefletschende Hund.
Angst, wieder gehen. Nur herein, der tut nichts, Tor ist offen! Als
es den zögernden Fuß in die Stube setzte, flirrte ein Gegenstand an
ihm vorbei, das Kind erschrak, die Pfirsiche kollerten zu Boden.
Josef, der den Gegenstand nach dem Hund geworfen hatte, saß da,
seine Frau, seine Eltern, am Bett der Emmi, die dem Kind schlaff