November 1942 ernannt. Die tschechoslowakische Exilregierung
schließt einen Freundschaftsvertrag mit der Sowjetunion (12.
Dezember 1943).
29. August 1944: Beginn des slowakischen Nationalaufstands,
den Wehrmachtverbände erst nach acht Wochen niederschlagen
können. Nach der Niederschlagung veranstalten Wehrmacht- und
SS-Einheiten Massenexekutionen an SlowakInnen und verschlep¬
pen Tausende in Konzentrationslager und zur Zwangsarbeit nach
Deutschland, 9.000 JüdInnen werden deportiert und ermordet.
Im November 1944 legt Benes ein 10-Punkte-Programm vor,
das eine Änderung der bisherigen Transferpläne für die Nach¬
kriegszeit beinhaltet. Die Exilregierung arbeitete schon länger
den Text der 143 Dekrete aus, die den Aufbau des zukünftigen
tschechoslowakischen Staates gewährleisten sollen; darunter eine
Handvoll Dekrete, die „Staatsbürger deutscher oder madjarischer
Nationalität“ betreffen. In Verhandlungen in Moskau (22.-29.
März 1945) beschließen Bene$ und die Führung der KPTsch
das Ende der Londoner Exilregierung. Wilde Vertreibungen von
Sudetendeutschen beginnen im Frühjahr 1945. Die Rote Ar¬
mee nimmt Bratislava ein (4. April 1945). Die erste Regierung
Zdenek Fierlinger wird gebildet. Das Kaschauer Programm (5.
April 1945) zeichnet den Weg zur Konstituierung der ersten
tschechoslowakischen Nachkriegsregierung. Anfang Mai 1945
breitet sich im Protektorat ein Aufstand gegen die deutsche Be¬
satzungsmacht aus. Am 5. Mai 1945 wird auch Prag erfasst. Am
7. Mai 1945 wird das KZ Theresienstadt befreit. Und am 9.
Mai 1945 rückt die Rote Armee mit ihren tschechoslowakischen
Legionen nach Prag vor.
Jan Kreisky, geboren 1978 in Wien, Studium der Geschichte und
Internationalen Entwicklung, derzeit Doktorat in Geschichte und
Mitarbeit in der Theodor Kramer Gesellschaft.
Eine tschechoslowakisch-österreichische Geschichte
Der Fotograf Hans Ernest Oplatka, über den Bil Spira vor 21
Jahren ein schr persönliches und eindrucksvolles Porträt in der
MdZ! geschrieben hat, war seit April 1934 nicht nur Chefredakteur
des Sonntag, der illustrierten Wochenendbeilage des Wiener Tags,
sondern hatte wahrscheinlich auch dessen Konzept als Fotomagazin
entwickelt. Fiir den Sonntag sollte bald neben dem Zeichner Bil
Spira auch sein Freund Jura Soyfer regelmäßig arbeiten. Oft saßen
die drei Freunde in einem Cafe in der Nähe der Redaktionsräume
im 9. Bezirk, das letzte Mal am Tag der Flucht Jura Soyfers 1938,
wie sich Hans Oplatka erinnert:
Am 12. März, dem Tag der Besetzung unserer Redaktion, die ich mir
anschaute, sah ich Jura zum letzten Mal. Zu dritt saßen wir im Cafe
Dankl am Gürtel unter dem Stadtbahnviadukt bei der Volksoper.*
Im März 1938 befand sich Jura Soyfer aber nicht zum ersten Mal
in seinem Leben auf der Flucht. Schon als Kind hatte er im Jänner
1919 seine Geburtsstadt Charkow, wo sein Vater den Portlandze¬
ment für den Bau des imposanten Hotel Astoria beschafft hatte’,
und im Jänner 1921 Georgien fluchtartig verlassen müssen. Als
die Soyfers Charkow verließen, flüchteten sie aus einem Land,
welches seit der Oktoberrevolution unabhängig war und sich
Volksrepublik Ukraine nannte. Vorsitzender des Direktoriums,
also der Regierung, war ein gewisser Symon Petljura, ein chemals
sozialdemokratischer Journalist, der ab 1918 mit Unterstützung
des Zentralrats, des von Menschewiki dominierten revolutio¬
nären Parlaments in Kiew, versuchte, das Land zu regieren. Die
Besetzung des Landes durch die Mittelmächte und ein ständiger
Bürgerkrieg prägten die kurze Zeit der Eigenstaatlichkeit. Diese
Zeit wird jedoch vor allem wegen der unzähligen Pogrome gegen
Juden und Jüdinnen in die Geschichte eingehen. Die Freie Tribüne,
die österreichische Zeitung der Poale Zion, schrieb 1919 dazu:
Gestern noch als das ukrainische Direktorium den bewaffneten
Aufstand gegen die deutschen Okkupanten geführt hat, waren die
Juden hoch in Ehren. Heute da die Petljura-Regierung sich zu al¬
leinigen Aufgabe die Bekämpfung des Bolschewismus gemacht hat,
gehen sie daran vor allem Juden zu bekämpfen.‘
50.000 bis 100.000 Menschen wurden bei den Pogromen er¬
mordet, die von Einheiten der Armee der Volksrepublik und von
ihrem Kriegsgegner, der Weißen Armee der Generäle Denikin
und Wrangel begangen wurden.
Hans Oplatkas Vater Emil arbeitete zu diesem Zeitpunkt als
Kriegsberichterstatter in Galizien, u.a. für die Neue Freie Presse,
das Welt-Blatt, das Deutsche Volksblatt, die Salzburger Chronik und
den Pester Lloyd. Gegen Ende des Krieges wurde er Mitherausgeber
der Neue Lemberger Zeitung, welche gleichzeitig die Feldzeitung
für die 2. k.u.k. Armee war. Nachdem es keine k.u.k. Armee mehr
gab, unterstützte die Zeitung die Unabhängigkeit der Ukraine,
und als es diese nicht mehr gab, jene der Westukraine. Nachdem
Lemberg von der polnischen Armee erobert worden war, gab es
dann auch keine Westukraine mehr, und Emil Oplatka wurde
Redakteur des Ukrainischen „Preßbüro“ in Wien. Dieses gehörte
zu einem dichten Netz ukrainischer Exilorganisationen und Rest¬
staatlichkeit, das sich um 1920 zwischen Wien und Prag etablierte
und über dessen Existenz heute kaum noch gesprochen wird.
In Wien versammelten sich die Abgeordneten des Zentral¬
rats, konstituierte sich also ein Schrumpfparlament im Exil. Die
ExilpolitikerInnen waren alle in diversen Wiener Hotels und
Pensionen untergebracht, so im Hotel Meisl und Schaden, im
Hotel Residenz, Bristol und im Imperial. Die VertreterInnen der
Hotel-Republik standen alle unter Beobachtung der Polizei, so
auch die Mitarbeiter des „Preßbüros“. Die ebenfalls vorhandene
Botschaft der Ukraine genoss seitens der österreichischen Behörden
bis 1921 diplomatischen Status. In Prag wiederum warteten die
letzten Einheiten der ukrainischen Volksarmee auf ihren Einsatz
im Kampf gegen den Bolschewismus.’
1921, in dem Jahr, da die Soyfers nach einer ewigen Odyssee in