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Pavel in Auschwitz in einer Gaskammer erstickt worden war...

An den Folgen dieses Asthmas ist Hugo Haas schließlich auch
gestorben: an seiner letzten Wohnadresse Doblhoffgasse 7/4— wo
er nur einen Teil der Wohnung für sich gemietet hatte - wollte er
sich in der Küche am Herd eine Speise zubereiten, vergaß dann
darauf - als er die bedrohliche Dampfentwicklung bemerkte
und in die Küche eilte, war es bereits zu spät, der Inhalator nicht
zur Hand... und als die Vermieterin — die mir das alles erzählt
hat — zurückkam, war Hugo Haas bereits erstickt...

Der Film „Die weiße Krankheit“ gilt heute als Klassiker des tsche¬
chischen Filmschaffens. Unter dem Titel „Skeleton on Horseback“
ist er auch in den USA bekannt geworden, zur Zeit seiner Ent¬
stehung allerdings nur in Cineastenkreisen. Um 1950 gelang es
Haas seine Regiekarriere in Amerika wieder aufzunehmen — wobei
er sich natürlich auf ein amerikanisches Publikum einlassen und
als Emigrant sich politischer Statements enthalten mußte. Mit
kleinem Budget, noch ohne Verleih, mit zusammengesparten
Eigenmitteln und ohne großen Aufwand entstand so der Film
„Pickup“. Er selbst spielte die Hauptrolle, als Partnerin hatte er
ein blondes, großgewachsenes und bisher völlig unbekanntes
Mädchen entdeckt. Die Handlung war einfach und melodrama¬
tisch: Hugo Haas als älterer, gutmiitiger, tierlicbender Bahnwarter
tschechischer Herkunft liest eine viel jüngere selbstmordgefährdete
Frau auf, nimmt die Person von zweifelhaftem Ruf zu sich, wider
alle Vernunft... Er verliert das Gehör, und merkt daher nicht,
wie er von ihr ausgebeutet und betrogen wird. Als er nach einem
Schockerlebnis wieder hören kann, merkt er ihren Verrat, stellt
sich aber weiterhin taub — und die zu erwartende Katastrophe
nimmt ihren Lauf. Der im Vergleich zu anderen amerikanischen
Produktionen jener Epoche „avantgardistisch“ anmutende Film
— heute würde man ihn vielleicht „minimalistisch“ nennen, ein
gern gebrauchter Begriff, wenn nur bescheidene Mittel zur Ver¬
fügung stehen — brachte Haas die erhoffte Anerkennung und
ermöglichte ihm, in den folgenden Jahren eine Reihe weiterer
Filme in Eigenregie herzustellen. „Pickup“ ist unter dem Titel
„Aufgelesen“ synchronisiert auch in Wien angelaufen und ich
erinnere mich, ihn im Schäffer-Kino auf der Mariahilferstraße
(das es schon lange nicht mehr gibt) geschen zu haben, lange vor

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In seiner Wohnung gab es einen Filmprojektor, mit dem er 16mm¬
Kopien einiger seiner Filme vorführen konnte, was er gerne tat,
wenn man ihn darum bat. Meist war ich bei solchen Anlässen das
einzige Publikum. So sah ich sein Meisterwerk aus einer anderen
Epoche „Skeleton On Horseback“ und den Film „Lizzie“, den
er für den besten seiner amerikanischen Filme hielt, auch weil er
einen anerkannten Star — Eleanor Parker —

für die Hauptrolle gewinnen konnte. Da er einen Fernschemp¬
fänger hatte — damals ein Luxusgegenstand — lud er mich ab und
zu ein, um Filme anzuschauen, von denen er annahm, daß sie
auch mich interessieren könnten.

Ich erinnere mich an einen Hitchcock-Film mit Marlene Diet¬
rich, den ich bei ihm sah, oder den Film „Der Verlorene“ — von
und mit Peter Lorre, den er gut kannte und mit dem zusammen
er in dem Film „Casbah“ gespielt hatte: die Geschichte eines
nach dem Krieg nach Deutschland zurückgekehrten Emigran¬
ten; auch zu einem polnischen KZ-Film, „Die Passagierin“ lud
er mich ein, aber auch zu einem alten Hans Moser-Film aus den
Dreißigerjahren, „Der Hundefänger von Wien“ (Originaltitel:
„Das Gäßchen zum Paradies“): Haas hatte die Moser-Rolle eines
Hundefängers in der parallel dazu gedrehten tschechischen Ver¬
sion gespielt. Seine Popularität in der Tschechoslowakei konnte
sich in jener Zeit mit der von Hans Moser im deutschsprachigen
Raum durchaus messen.

Einmal kamen wir auf Lida Baarovä zu sprechen, die in den Drei¬
ßigerjahren im tschechischen Film oft seine Partnerin gewesen
war; sie galt als außergewöhnliche Schönheit, so daß sie von der
UFA nach Deutschland geholt wurde und dort in einigen Filmen
reüssierte. Sie erregte das Gefallen von Joseph Goebbels, dem all¬
mächtigen Propagandaminister und Herrn über das nazideutsche
Filmwesen, und begann eine verhängnisvolle Affäre mit ihm; als
sich Goebbels wegen ihr von seiner Frau scheiden lassen wollte
und angeblich sogar von seinem Ministerposten zurückzutreten
beabsichtigte, soll sich Hitler höchstpersönlich eingemischt und
veranlaßt haben, daß die Baarovä in Deutschland Auftrittsverbot
erhielt und nach Prag zurückkehren mußte. Begreiflicherweise