Gott wird befragt nach seinen Eigenschaften
— Bist du allmächtig, lieber Gott?
— Ich war's, doch schuf ich dann die Welt.
Die geht im vorgeschriebnen Trott.
Lässt mich nicht tun, was mir gefällt.
— Auch nicht barmherzig wärst du dann?
— Wenn ich es wär’, wem tät’ es gut?
Wo ich ja doch nicht hindern kann
die Bosheit und den Ubermut.
— Da warest du auch nicht gerecht?
— Was nützt das einem, den sie treten?
Kann ich ihm beistehn, geht’s ihm schlecht,
und helfen ihm in seinen Noten?
— So bist du also auch nicht weise?
—Ja, weise bin ich, glaub’ es mir.
Ich zog zuriick mich still und leise.
Die Welt wird fortbestehen hier.
— Hast jemals Gutes du gebracht?
— Gewiss! Als ich den Menschen schuf
Ich hab ihn ruhelos gemacht.
Das Tatigsein ist sein Beruf.
— Wie also soll der Mensch es halten
mit dir, und wie betragen sich?
— Er soll die Welt stets neu gestalten;
sich selber auch, und ohne mich.
Gottes Mühlen und die Gegenwart
Dass doch immer Gottes Mühlen
eigensinnig langsam mahlen!
Dass so viele da kein Glück erzielen
und das Leben allzu vielen
nichts als Not beschert und Qualen!
Die Mühlen mahlen trefflich fein.
Das Schicksal lässt mit sich nicht spaßen.
Endgültig auch: Das kann schon sein.
Doch soll ein armer Hund allein
auf das, was sein wird, sich verlassen?
Kein Trost wär das. Wir Eintagsfliegen,
sind etwas ungeduldig eben.
Gut, wenn sie übermorgen siegen!
Gut, wenn's einmal die Enkel kriegen.
Doch würden wir’s gern selbst erleben.
Greift, junge Menschen, zu! Wir haben,
wir Alten, unsre Pflicht erfüllt.
Wir wollen gegenwärtig haben
die beste aller guten Gaben:
das lang erträumte Zukunftsbild.
Ist’s immer noch genug nicht, Leute?
Greift doch zur Axt, ihr Bäumefäller!
Hetzt sie nun selbst, die Hundemeute!
Jagt ab den Raubern ihre Beute!
Dann mahlen Gottes Mühlen schneller!
Im Jahr 2011 habe ich in einer Stadt im Süden Mexikos ein Kreuz
gekauft. Das Kreuz war aus Holz gefertigt und es klebte ein Jesus
aus Hartplastik daran. Jesus sieht weniger aramäisch aus, sondern
mehr als stamme er aus dem Hause Mattel. Man kennt das. Im
Falle dieses einen Jesus schien man sich allerdings in besonderem
Maße um die Ästhetik von Kinderpuppen bemüht zu haben. Das
Seil, mit dem ihm ein blütenweißes Stück Stoff in imposantem
Faltenwurf um die Hüften gewunden war, ist goldfarben und
glänzt. Anders als man es von einem Folteropfer erwarten würde,
verfügt Jesus über einen überaus entspannten Gesichtsausdruck,
seine Beine sind anmutig übereinander geschlagen und seine
Füße mit einem Ziernagel verschen. Das Kreuz kostete mich
umgerechnet an die fünfundzwanzig Euro. Ich wusste, dass das
der überteuerte Touristenpreis war, machte aber nicht einmal den
Versuch zu verhandeln, weil ich fand, dass diese Heiligendarstel¬
lung von einzigartigem ästhetischen Wert sei und entsprechend
honoriert werden solle.