was Zuckmayer erst versprach, dann aber doch unterließ, weil
er einen Skandal befiirchtete.’ Als Kortner im Dezember 1947
selbst in die Schweiz kam, traf er dort ,,niemanden [...], der meine
beiden Stücke gelesen hat. Der Dr. Hirschfeld? hat vage davon
gehört. Er wird die Komödie jetzt lesen. Wenn ich Zeit habe, lese
ich ihm und einem kleinen Kreis vor.“ Wenig später in Berlin
war die Situation nicht viel besser, obwohl Kortner sein Stück
bereits aus den USA an seinen Freund, den Regisseur Erich En¬
gel,!! geschickt hatte: „Der Engel hat mein Stück erst vor ein paar
Wochen bekommen und gelesen. Ihm gefällts wirklich enorm.
Auch dem Jhering. Das zählt aber nicht: Vollkommen vertrottelt.
— Die Aufführung ist eine Frage der amerik. Erlaubnis.“'” Mit
Herbert Jhering, dem damaligen Chefdramaturgen des Deutschen
Theaters Berlin und dem Intendanten Wolfgang Langhoff, der aus
dem Schweizer Exil zurückgekehrt war, hatte Kortner im Früh¬
jahr 1947 von Hollywood aus Kontakt aufgenommen über den
exilierten ungarischen Filmproduzenten Paul Gordon." Durch
Gordons Vertreter in Berlin bot Kortner dem Deutschen Theater
ein dreimonatiges Gastspiel als Schauspieler an und schlug daftir
Schillers Wallenstein und Brechts Leben des Galilei vor. Beide
Rollen waren neu fiir Kortner, den Galilei hatte er gern schon
in den USA unter Brechts Regie gespielt und hatte mit Brecht
vereinbart, die Rolle in der deutschen Erstaufführung zu spielen.'*
Die Wahl des Deutschen Theaters Berlin unterstreicht Kortners
Anspruch auf eine führende Position im deutschen Nachkriegs¬
theater. Da seine alte Wirkungsstätte, das Preußische Staatstheater
Berlin, zerstört war, kam für ihn in Berlin nur die ehemalige
Reinhardt-Bühne in Frage. Auch sein Vorschlag, mit einer der
größten klassischen deutschen Rollen und einer bedeutenden
neuen zeitgenössischen Rolle auf die deutsche Bühne zurückzu¬
kehren, untermauert diesen Anspruch und verdeutlicht überdies,
dass für ihn die Bühne weiterhin ein Ort politisch-gesellschaftlicher
Auseinandersetzung war.
Langhoff und Jhering griffen Kortners Vorschlag dankbar auf
und hätten Kortner gleich für ein ganzes Jahr engagiert, woge¬
gen dieser jedoch Bedenken hatte, denn „die drei Monate, die
ich vorgeschlagen habe, sollen zeigen, ob das Wiedersehen, das
Wiederfinden funktioniert. Es kommen ermutigende, aber auch
entmutigende Berichte von drüben. Ich hoffe und wünsche es
mir [sic. ,] [...] dass der Ausgang dieser 3 Monate so sein wird,
dass dann eine längere Bindung für das nächste Jahr eingegangen
werden kann.“ schrieb Kortner an Peter V. Herald im Information
Control Branch der amerikanischen Militärbehörde in Berlin.
Mit Rücksicht auf den bereits vorbereiteten Spielplan, schlugen
Jhering und Langhoff Kortner vor, zuerst als Philipp in Schillers
Don Carlos aufzutreten, eine seiner großen Rollen in den 1920er
Jahren. Kortner ging darauf ein und war bereit, in weiteren Rol¬
len seines alten Repertoires zu gastieren, bekräftigte aber seinen
Wunsch, auch neue Rollen zu spielen und schlug dafür noch
Shakespeares König Lear vor.'° Er einigte sich dann mit Langhoff,
zunächst als Philipp im Dorn Carlos aufzutreten, die Proben sollten
im November 1947 beginnen, die Premiere war für den 1. oder
3. Januar 1948 geplant. Brechts Leben des Galilei sollte erst später
in der Spielzeit inszeniert werden, denn Kortner befürchtete, dass
die „Kombination meines Namens mit ‚Galileo‘ die Erlaubnis für
mich nach Deutschland einzureisen in Frage stellt. [...] Ich muss
die Korrespondenz des Deutschen Theaters den hiesigen Behörden
vorlegen [...].“” Diese Bedenken kamen ihm vermutlich nach
den Verhören, die der berüchtigte Ausschuss für unamerikanische
Aktivitäten (HUAC) im Frühjahr 1947 in Hollywood abhielt
und es sich abzeichnete, dass Emigranten wie Eisler und Brecht
vor den Ausschuss zitiert werden sollten."?
Doch zunächst schien mit dem geplanten Gastspiel trotz des
recht langwierigen und umständlichen Postweges alles gut zu ge¬
hen, zumal auch der amerikanische Theateroffizier Benno Frank!”
in Berlin versprach, alle administrativen Schwierigkeiten aus dem
Wege zu räumen. Im August 1947 schickten Jhering und Langhoff
„Im Namen des Deutschen Theaters und als Beauftragter des
Magistrats der Stadt Berlin“ die von Kortner gewünschte „ofhizi¬
elle Einladung [...] im Laufe der Monate November, Dezember,
Januar, Februar [1947] bei uns ein Gastspiel zu absolvieren.“”°
Damit hielt Kortner das Engagement am Deutschen Theater fiir
fest abgemacht, auch seine Frau Johanna Hofer betrieb nun mit
Bezug auf Kortners Gastspiel aktiv ihre Rückkehr auf das deutsche
Theater. Sie wandte sich an den Regisseur Karl-Heinz Martin,
der seit August 1945 das Hebbel-Theater in West-Berlin leitete:
„Was mich nun anlangt, ich möchte gern mit, ich möchte gern
spielen [...] Ich habe Hemmungen, mich an das Deutsche Theater
zu wenden, und ich möchte nicht, dass Kortner es meinetwegen
tut. Ich mag nicht mit in Kauf genommen werden. [...] in der
Hoffnung, dass vielleicht in einem Ihrer Theater, in einem der
Stücke, die Sie spielen, eine Rolle für mich sei. Ich überschätze
mich nicht. Ich würde mein Auftreten in keiner Weise aufgemacht
haben wollen. Ich möchte nur gern mitspielen.“”'
Kortner seinerseits spann weitere Pläne: „Ich werde in diesem
Winter drei Monate am Deutschen Theater spielen“ schrieb er an
den aus dem sowjetischen Exil nach Ost-Berlin zurückgekehrten
Schriftsteller Johannes R. Becher, „und beschäftige mich in Ge¬
danken mit einem Vortragsabend, den ich dann in Berlin geben
wuerde und bei dem ich auch aus Ihren Romanen in Versen wuerde
lesen wollen.“ Die für Kortner wohl ganz selbstverständliche
Einbeziehung der Werke des kommunistischen Schriftstellers
Becher in seinen Vortragsabend zeigt, dass er die Auswirkungen
des sich anbahnenden Kalten Kriegs auf seine geplante Tätigkeit
in Berlin erheblich unterschätzte.
Auch im deutschen Film wollte Kortner wieder tätig werden
und wandte sich schon von Hollywood aus an Erich Pommer,
der damals im Office of the Director of Information Control in
Berlin tätig war und eine wesentliche Rolle beim Neuaufbau der
deutschen Filmindustrie spielte.”” Kortner berichtete dem „Sehr
geehrten Herrn Pommer“ über das geplante Gastspiel und schlug
ihm vor: „Ich könnte sehr wohl, während ich am Deutschen
Theater spiele [...] etwas unter Ihrer Leitung tun, sei es spielen
oder inszenieren oder schreiben.“ *
Denn außer seinen beiden Theaterstiicken hatte Kortner auch
schon die Idee zu dem Film über einen aus der Emigration nach
Deutschland zurückkehrenden Philosophieprofessor entwickelt,
der später Der Ruf heißen sollte. Über seinen Plan hatte er vor
seiner Abreise mit seinem Freund, dem Schauspieler Joseph Schild¬
kraut, gesprochen, der sich aus Hollywood bei Kortner angelegent¬
lich nach dessen Filmplänen in Deutschland erkundigte: „Wann
soll Dein Film — an dessen Idee ich mich genau erinnere - (Du
hast sie mir bei uns erzählt) anfangen? Noch immer, wie Deine
Idee war in englisch und deutsch? Führst Du Regie? Spielst Du
selber? — Oder soll ich kommen zum Spielen? (Das war nämlich
Deine ursprüngliche Idee!!) Oder hältst Du es für gar nicht ratsam,
für mich hinüberzukommen? Mich würde es wahnsinnig reizen,
ein paar Monate drüben mit Dir beisammen zu sein! Und zwar
nur zum Filmen — nicht zum Spielen (im Theater.)“”? Zu der
geplanten gemeinsamen Filmarbeit von Kortner und Schildkraut