der siegreichen Mächte“ getroffen hätte. Dementsprechend wird
der 8. Mai 1945 als jener Tag geschen, an dem „die schreckliche
Katastrophe Wirklichkeit geworden war“, so Otto Scrinzi 2011 im
Burschenschafter-Organ Die Aula. Als Gliederungen der NSDAP
wurden die „Kameradschaften“ des NSDStB 1945 aufgelöst, das
Schlagen von Mensuren war bis Anfang der 1950er-Jahre genauso
verboten wie der Aufzug mit Mütze und Band auf Universitäts¬
gelände. Allfällige Kontinuitäten wurden durch das Auftreten
unter unverfänglichem Namen verdeckt. So gründete sich etwa
die Olympia 1948 als Akademische Tafelrunde Laetitia wieder.
Als ehemalige Mitglieder der NSDAP oder deren Wehrverbände
oder Gliederungen sahen sich zahlreiche Korporierte zunächst
einer tatsächlichen Entnazifizierung gegenüber: „Ein Großteil der
Überlebenden“, heißt es bei der Olympia, „war politisch verfolgt
und mit Berufsverbot belegt.“ Im Fall der Wiener Alemannia war
nach Eigenangaben ein Drittel der Mitglieder „in den alliierten
Lagern in Haft gesetzt oder von den Gerichten eingezogen“. Im
November 1945 feierten die Alemannen ihr erstes Stiftungsfest
nach dem auch von ihnen so bezeichneten „Zusammenbruch
1945“, bezeichnenderweise im von den US-Alliierten in Salz¬
burg eingerichteten Lager „Marcus W. Orr“, besser bekannt als
Lager Glasenbach, wo nationalsozialistische Funktionäre und
NS-Verbrecher ebenso interniert waren wie Personen, die „bloß“
der NS-Betätigung verdächtigt wurden.
Die Minderbelastetenamnestie 1948 sowie die Bemühungen
der Parlamentsparteien um die Wählerstimmen der chemaligen
NationalsozialistInnen kamen auch den Burschenschaften zu Gute.
Mit dem gesamten so genannten (deutschnationalen) Dritten La¬
ger begann sich ab 1948 rund um die Gründung des Wahlverbands
der Unabhangigen (WdU) auch das burschenschaftliche Milieu zu
konsolidieren. Die rituellen Fechtduelle wurden 1951/52 wieder
erlaubt, kurz darauf durften deutschnational Korporierte wieder
mit Miitze und Band an die Hochschulen.
Die burschenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Natio¬
nalsozialismus und der eigenen Vergangenheit als akademische
Avantgarde desselben lässt sich mehrheitlich als NS-Apologie
und Abwehr von Erkenntnis, Schuld und Verantwortung zu¬
sammenfassen. Gemäß der burschenschaftlichen Verpflichtung,
stets für das deutsche Vaterland und dessen Interessen zu wirken,
sehen sich viele deutsch-völkisch Korporierte auch und gerade in
Österreich veranlasst, gegen den laut dem Chronisten der Grazer
Arminia „zerstörerische[n] Gewissenswurm einer angeblichen,
einmaligen, unvergänglichen Schuld“, wie er dem „deutschen
Volk von einer unmenschlichen Intelligenz“ eingepflanzt werde,
zu kämpfen. Wenn vorsichtige Kritik am Dritten Reich und sei¬
nen Entscheidungsträgern laut wird, beschränkt sie sich in der
Regel weitgehend auf den Vorwurf, den Krieg nicht gewonnen zu
haben. An manchen Stellen findet sich auch eine Ablehnung der
diktatorischen Selbstanmaßung des Führers, wobei im nächsten
Atemzug dann stets auf seine angeblichen (wirtschaftlichen) Erfolge
verwiesen wird. Die NS-Verbrechen werden dort, wo sie nicht
schlicht verschwiegen werden, weniger offen geleugnet, sondern
relativiert, etwa durch den verbreiteten Hinweis auf vermeintliche
oder tatsächliche Verbrechen der Alliierten (Dresden-Bombarde¬
ment, Vertreibungen 1945 usw.). Der Holocaust wird zumeist
einfach ausgespart, stattdessen stilisiert man die Deutschen und
sich selbst als Opfer. Der anfängliche Erfolg des Nationalsozialis¬
mus bei weiten Teilen auch der österreichischen Bevölkerung wird
gerne als Beleg für seine grundsätzliche Richtigkeit genommen.
Daneben findet sich eine spezifische Behandlung der Ursachen
des Nationalsozialismus, die allesamt auf Schuldvorwürfe gegen
die Siegermächte des Ersten Weltkrieges fokussieren (Versailles, St.
Germain). Die Mitverantwortung von Burschenschaftern für den
nationalsozialistischen Massenmord wird entweder schlichtweg
geleugnet oder durch die Behauptung relativiert, der Nationalso¬
zialismus sei ursprünglich eine richtige oder „große Idee“ gewesen
und erst an der Macht und im Kriegsverlauf quasi entartet. Oder
man versucht, einen nationalsozialistischen „Idealismus“ und einen
Missbrauch desselben durch einige wenige zu konstruieren. Man¬
cherorts wird daneben aus der offiziellen Geheimhaltungspolitik
die Unmöglichkeit, von den NS-Verbrechen gewusst zu haben,
abgeleitet. Am weitesten verbreitet ist jedoch die Behauptung, die
(korporierte) Begeisterung für Führer und Nationalsozialismus
sei einzig im von diesen verwirklichten „Anschluss“ begründet
— und für den seien ja auch andere gewesen. So lässt sich ein
Großteil der Alten Herren als geblendet oder getäuscht, auf jeden
Fall als schuldlos vor- und darstellen. Bis Ende der 1980er-Jahre
stand diese tendenziöse Zeitgeschichtsbetrachtung durchaus im
weitgehenden Einklang mit vorherrschenden Geschichtsbildern
in Österreich, was die fehlende Ausgrenzung deutschvölkischer
Korporierter nach 1945 erklären hilft. Von daher ist die Anfang
der 1990er-Jahre auf breiterer Ebene einsetzende wissenschaftliche
und politische Kritik an den Burschenschaften wohl nicht zuletzt
mit den Veranderungen in der hegemonialen Vergangenheitspolitik
in Zusammenhang zu bringen.
Andreas Peham ist Mitarbeiter im DOW, zustindig u.a. für die
Betreuung der Rechtsextremismus-Sammlung. Aktion gegen den An¬
tisemitismus. Publikationen: Extreme Rechte in Europa, Wien 2011;
Der rechte Rand. Extremistische Gesinnungen in unserer Gesellschaft,
Wien 2007. Zahlreiche Beiträge u.a. fiir ContextXXT, Jungle World,
Antifa Infoblatt, Der rechte Rand.
In Kirchstetten hat einmal Josef Weinheber gelebt, 1938 Hider
bejubelt und 1945 Selbstmord verübt. Die Erinnerung an den
NS-Poeten hält die sich als „Dichtergemeinde“ positionierende
Ortschaft dank einer „Weinhebergedenkstätte“, einem Museum,
einem Grab und der Namensgebung für eine Straße, einen Kin¬
dergarten und eine Autobahnbrücke wach.
Kirchstetten liegt in Niederösterreich, in den 1930er Jahren
haben in der Marktgemeinde ca. 100 Roma und Sinti gelebt.
Sie wurden alle zwischen Juni 1939 und August 1943 deportiert,
zuletzt nach Auschwitz.
Eine Auseinandersetzung mit der systematischen Verfolgung und
Ermordung der ehemaligen MitbürgerInnen gibt es in Kirchstetten
bis heute keine, geschweige denn, eine den Verfolgten würdige
Erinnerungskultur.
Mit ihrer temporären Kunstinstallation Futschikato — Die ver¬
schwundenen Roma und Sinti aus Kirchstetten und der „Fall